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Interview mit Marga Bielesch

4 Fragen an Marga Bielesch, Paartherapeutin, Autorin und selbst Mama eines verstorbenen Kindes

 

Maria: "Irgendwann wird aus diesem tiefen Schmerz eine tiefe Liebe" - ein Satz von dir, den ich ganz genauso unterschreiben kann. Du hast ein Buch geschrieben, das Paaren Orientierung bieten soll: "Nur zu Besuch - Wie ihr als Eltern das unfassbar Traurige gemeinsam bewältigen könnt".

 

Marga: Ja, aus dem Schmerz wird irgendwann tiefe Liebe – etwas, das ich am Anfang meiner Trauer niemals für möglich gehalten hätte. Ein Kind zu verlieren, ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen im Leben und wohl das Traurigste, was Eltern widerfahren kann. Es ist nicht einfach, einen Trauerweg zu gehen, wenn man zuvor noch nie mit einer so tiefen emotionalen Belastung konfrontiert war. Der Verlust des eigenen Kindes hat eine ganz andere Dimension – er ist unsagbar schwer. Und weil dieser Verlust so tiefgreifend ist und der Weg so dunkel erscheint, zerbrechen daran manche Beziehungen.

Ich möchte Eltern, die so etwas Schlimmes erleben mussten, durch mein Buch Mut machen und ihnen einen Weg durch die Trauer aufzeigen – gemeinsam als Elternpaar. Denn das eigene Kind hätte nicht gewollt, dass die Beziehung der Eltern daran zerbricht.

 

Maria: Für Paare ist es oft sehr schwer, in dieser existenziellen Situation gut miteinander im Kontakt zu bleiben. Warum?

 

Marga: Trauer macht sprachlos, hilflos und ohnmächtig – und genau das führt oft zu Missverständnissen. Jeder Mensch trauert anders – auch Mütter und Väter. Genau das macht den gemeinsamen Trauerprozess oft so schwierig. Mütter haben durch ihre Sozialisation meist einen anderen Zugang zu Gefühlen und können ihre Trauer oft leichter zulassen. Väter hingegen tun sich damit häufig schwerer. Dass Mütter und Väter unterschiedlich trauern, ist ganz normal – und völlig in Ordnung. Während Mütter ihre Gefühle oft durch Gespräche verarbeiten, fällt es Vätern in vielen Fällen schwerer, ihre Emotionen auszudrücken. Sie finden dafür oft andere Ausdrucksmöglichkeiten z.B. durch Musik, den Sarg zu bauen. Problematisch wird es jedoch, wenn die Trauer nicht zugelassen und die Gefühle einfach verdrängt werden.

 

Maria: Was erlebst du oft als herausfordernd für die Paare?

 

Marga: Auch in anderen Bereichen zeigt sich, wie unterschiedlich Eltern mit dem Verlust umgehen – zum Beispiel beim Thema „Arbeiten gehen“. Sich diese individuellen Wege gegenseitig zuzugestehen, ist aus meiner Sicht das Wertvollste, was Eltern für ihre Beziehung tun können. Wenn jeder seinen eigenen Trauerweg gehen darf und sich die Wege immer wieder kreuzen, kann es Paaren gelingen, die Krise gemeinsam zu bewältigen.

 

Maria: Wie kann so eine Wegkreuzung ganz konkret aussehen? Welche Rituale finden Paare, um im Gespräch zu bleiben, um verbunden zu sein auf diesen individuellen Wegen?

 

Marga: Jedes Paar trauert auf seine eigene Weise, doch es kann helfen, miteinander ins Gespräch zu gehen: Was brauchst du gerade? Was brauche ich? Möchten wir gemeinsame Zeit verbringen?

Vielleicht tut es gut, zusammen zum Friedhof zu gehen oder einen Ort zu besuchen, der an das Kind erinnert. Ist ein Gespräch hilfreich, oder ist auch gemeinsames Schweigen in Ordnung? Rituale können Trost spenden. Dazu gehören:

eine Erinnerungsecke gestalten, ein Erinnerungsstück anfertigen lassen, z. B. eine Kette, am Geburtstag Luftballons steigen lassen, das Grab gestalten, eine Trauergruppe besuchen, Fotos anschauen, eine Kerze mit dem Namen des Kindes aufstellen und vieles mehr.

 

Ein Ritual kann auch bedeuten, einen neuen Beziehungsort zum Kind zu finden. Das kann ein Platz im Freien sein – etwa eine Parkbank, auf der man während der Schwangerschaft oft saß – oder ein innerer Ort, an dem die Liebe zum Kind weiterlebt. Letztendlich entscheidet jedes Paar selbst, was sich richtig anfühlt.

 

Maria: Was wünscht du Sternenkindfamilien?

 

Marga: Ich wünsche den Eltern, dass jeder für sich einen guten eigenen Weg findet, um sich vom Kind und den verbundenen Träumen zu verabschieden. Und auch dass sich diese Wege immer wieder kreuzen, um sich verbunden zu fühlen und die tiefe Liebe gemeinsam zu spüren und weiterzutragen.

 

Maria: Danke, Marga, für dieses Gespräch und unseren Austausch.